...Tagwache um 06:30, draußen -35°C. In der Kabine ist es trotz laufendem Motor und eingeschalteter Zusatzheizung auch nicht wirklich warm, geschätzte +12 bis +15°C. Egal, so ist man schneller wach.   Mit klammen Fingern kochen wir Kaffee. Ed ist ein Phänomen – er raucht schon die erste Zigarre zum Aufwärmen. Ein wunderschöner Sonnenaufgang beginnt. Mit zarten Rosa- u. Blautönen kommen die ersten Sonnenstahlen über den Horizont. Noch ca. 80 km bis zu unserem Zielort, dem Indianerreservat Pauingassie. Am nächsten See bleibt Ed vor der Auffahrt auf das Eis stehen, steigt aus, kommt zur Beifahrerseite herüber und sagt: „This is your trail now!“ Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Wir wechseln die Plätze und mit flotten 15 km/h geht’s aufs Eis. Ein absolut unbeschreibliches Feeling diesen Riesentruck mit mehr als 40 Tonnen hier auf dem Eis fahren zu dürfen! Das kann was! Mein Endorphin-Spiegel ist ähnlich hoch wie bei meinem Zieleinlauf beim New York Marathon. Nun bin ich auch ein „Ice-Road-Trucker“. Ich glaube ich bin der einzige Österreicher, der das bis jetzt erleben konnte. Nach meinem Ride auf dem Eis schenkt mir Ed seine Truckerkappe mit „MACK“ Aufschrift. Diese wird bei mir einen Ehrenplatz bekommen.

...In Grand Rapid Falls nehmen wir die falsche Ausfahrt und Ed muss unseren mehr als 26 Meter langen Truck mehr als 500 Meter zurückschieben. Ein wahrer Meister in seinem Job! Nach nochmals 15 Meilen kommen wir in Pauingassi an und suchen den Abladeplatz. Es gibt keine Adressen, so wie wir das kennen. Im Band Office (Gemeindeamt) von Pauingassi sagt man uns wohin wir müssen und sie schicken uns einen Indianer als Einweiser mit. Wie sich später herausstellt, war das alles falsch und die Ware ist am falschen Ort gelandet. Der Häuptling – Mr. Herold Crow – der alles bestellt hat, ist angeblich nicht da und so verlässt sich Ed auf die Aussagen der Indianer. (Wahrscheinlich wird Ed für diese Fahrt keinen müden Dollar erhalten, weil die Ware nicht am richtigen Abladeort steht. Das erfahren wir aber erst nach unserer Rückkehr in Winnipeg!)

...Am (vermeintlich richtigen) Abladeplatz angekommen, merken wir, dass kein Stapler zum Abladen vorhanden ist. Nun ist guter Rat teuer. Lediglich ein Radlader mit Heckbagger ist vorhanden. Ed improvisiert und bastelt aus Ketten eine Halterung mit der wir die Betonbarrieren abladen können. Die Ketten wiegen bis zu 50 kg, alles ist saukalt und vereist. Die Kettenverschlüsse muss man mit bloßen Fingern öffnen, da man sonst kein Gefühl hat. Nachher hat man aber keines mehr in den Fingern. Die Gurte aus den Spannschlössern ausfädeln ist fast unmöglich. Die Spanngurte sind beinhart gefroren, man muss sie mit einem Hammer erst weichklopfen, um arbeiten zu können. Jetzt noch die Zapfsäulen, Rohre und Leitern. Auch hier müssen wir improvisieren und den „First-Nations“ jeden Handgriff erklären. Es ist extrem mühselig und nach vielen Erklärungen und nervigen Diskussionen haben wir endlich die Ladung dort wo sie hingehört. Gratis Turnübungen am LKW. Ich bin ziemlich fertig. Ed holt sich noch die notwendigen Unterschriften auf den Lieferpapieren und als alles geschafft ist, machen wir Lunchtime – wir haben fast 4 Stunden gebraucht, um die Ladung vom Truck zu kriegen. Nach diesem Knochenjob bei -30°C ist Essen eine willkommene Erholung.