...Wir sind auf dem Highway 8 Richtung Norden. Die Landschaft ist immer gleich. Sehr flach und eben. Dann wechseln wir auf die 234er. Nun beginnt (man glaubt es kaum) eine Sandpiste. Diese wird immer geräumt und ist völlig schneefrei. Es staubt wie auf der schönsten Wüstenpiste!   Plötzlich biegt Ed rechts in eine kleine Einfahrt. Die Shoreline des Lake Winnipeg liegt vor uns! Der Lake Winnipeg ist ca. 470 km lang und ca. 100 km breit – das ist eine Fläche so groß wie die Bundesländer Kärnten, Burgenland, Tirol und Vorarlberg zusammen. Entlang der Zufahrt befinden sich jede Menge Warnschilder, die auf die Gefahren der Winter-Road hinweisen. Kurzer Stop noch zur Orientierung und Ladungskontrolle. Dann geht es aufs Eis. Ich gehe ca. 200 Meter voraus und möchte die Auffahrt aufs Eis filmen. Ed wartet, bis ich in Position bin und fährt dann im Schritttempo nach. Ich spüre die Welle unter mir, die der Truck mit seinen ca. 40 Tonnen auslöst. Es knackt und knistert rund um mich – sehr beängstigend – rational weiß man, dass das Eis trägt, aber so richtig wohl fühlt man sich doch nicht. Ich steige zurück in den Truck und genieße die Hitze bei +15°C. Ed erklärt mir noch eine wichtige Sicherheitsregel: „when you drive on the ice, pull down the window, listen to the ice, and if it is too loud, jump out!“. Zu meiner Beruhigung trägt das nicht unbedingt bei.

...Die Fahrgeschwindigkeit am Eis ist streng reglementiert. Aus Sicherheitsgründen darf nicht schneller als maximal 10 mph (ca. 15 km/h) gefahren werden. Ansonsten würde die Belastung des Eises zu groß werden und das Risiko des Einbrechens stark steigen. Die Einhaltung der Geschwindigkeit am Eis wird von der Straßenaufsichtsbehörde streng überwacht. Bei Nichteinhaltung drohen drakonische Strafen. Dem Fahrer wird schon beim ersten Verstoß lebenslang die Ice-Road Berechtigung entzogen und eine sehr hohe Geldstrafe verordnet. Damit ist dann der Traum von Ice-road-Trucking ausgeträumt. Ed fährt nun schon seit ca. 30 Jahren auf der Ice-Road und erzählt, dass es immer wieder junge Fahrer gibt, die die Limits nicht respektieren und nicht einmal eine Saison schaffen. Alle Jahre brechen einige Trucks ein und müssen mit großem Aufwand geborgen werden. Bei diesen Bergeaktionen setzen auch die Retter ihr Leben aufs Spiel, daher gibt es hier für Verstöße dieser Art keine Toleranz.

...Am ganzen See sind Schneeverwehungen, die ein Weiterkommen mit dieser niedrigen Geschwindigkeit sehr erschweren. Trotz unseres Gewichtes bleiben wir mehrfach hängen und müssen zurückschieben und Anlauf nehmen, um durchzukommen. Ich befürchte schon, dass wir irgendwann Ketten auflegen müssen. Die Aussicht, hier mitten am Lake Winnipeg bei -30°C und stürmischem Wind Ketten aufzulegen, ist nicht sehr verlockend. Aber Ed ist ein wahrer Könner! Mit der eingebauten Differentialsperre und viel Gefühl meistert er diese schwierigen Stellen. Das Feeling hier mitten am See mit einem Truck von mehr als 40 Tonnen Gewicht zu fahren ist schon ein sehr eigentümliches. Aber man gewöhnt sich sehr schnell dran, wenn man erst einmal zur Tragfähigkeit des Eises Vertrauen gefasst hat. Nach ca. 2/3 der Strecke kommt die sogenannte „Iceridge“ in Sicht. Das ist ein Eisstoß mit fast 2 Metern Höhe. Er entsteht dadurch, dass der Wind das Eis Richtung Ufer drückt und sich dann die Eisschollen übereinander schieben. Es gibt einen Durchlass, der mit Baumaschinen aufgebrochen wird, um die Strecke für die Fahrzeuge passierbar zu machen. Ed meistert auch diese Schlüsselstelle mit Bravour. Die Ausfahrt vom See ist easy.

...Nun geht es auf der Winter-Road weiter Richtung Nordost nach Paungassi. Cirka 250 km liegen noch vor uns. Ich bin gespannt, welche Überraschungen noch auf mich warten. Weite Tundralandschaft wechselt sich mit dicht bewaldeten Flächen ab. Frischer Schnee, gute, griffige Schneefahrbahn, stellenweise sehr enge Straßen. Endlich ein Grader (Planiergerät), der die Straße planiert und natürlich kein Verkehr. Manchmal ein Indianer (First Nation), der in halsbrecherischem Tempo über die Winter-Road fährt – Manitu sei mit ihm! Um ca. 22:30 suchen wir einen geeigneten Platz, um den Truck für eine Ruhepause abzustellen. Wir bleiben einfach am Rand der Straße in einer kleinen Bucht stehen, das Parklicht bleibt an und man darf keinesfalls die Handbremse anziehen – diese könnte bei -35°C einfrieren und müsste dann wieder mit der Lötlampe aufgetaut werden. Darauf können wir hier in der Wildnis wirklich verzichten. Mehr als 40 Tonnen Gewicht bewegen sich auf ebener Straße ohnehin nicht von selbst. Die Reifen frieren schon nach Minuten am Boden fest.

...Der Motor wird mit Handgas auf knapp über 1100 rpm eingestellt und läuft weiter. Der Verbrauch ist für diese 6 Liter Maschine mit ca. 4 Gallonen pro Stunde bemerkenswert niedrig. Der Motor darf bei Temperaturen unter -20°C keinesfalls abgestellt werden, da sonst selbst das Öl einfriert und dann heißt es unter der Ölwanne Feuer machen…. Das wollen wir uns ersparen. Zur Toilette wird kurz ausgestiegen. Auch eine Herausforderung bei diesen Temperaturen! Wir sehen ein wunderbares Nordlicht in allen Grün-Schattierungen über den Himmel wandern und genießen noch kurz bei -35°C das tolle Schauspiel. Die Kälte treibt uns dann in das warme Fahrerhaus zurück. Wir kochen noch Kaffee, essen ein Sandwich und kriechen dann in unsere Schlafsäcke. Es ist mittlerweile 22:45. Das Dröhnen des Motors im Leerlauf und das regelmäßige Abblasen der Druckluft (jetzt funktioniert das wenigstens) schläfern uns langsam ein.